«Weil man als zeitgemässes Unternehmen da präsent sein muss» – das ist oft die Antwort, die ich erhalte, wenn ich nach dem Grund frage, warum das Unternehmen auf dieser oder jener Plattform einen Auftritt eröffnet hat. Häufig zeigt sich, dass aus einem blossen Gefühl der Präsenzpflicht geschaffene Auftritte alles andere als optimal genutzt werden. Doch ist es wirklich notwendig, überall sichtbar zu sein? Ich möchte Ihnen einen Weg aufzeigen, wie Sie sich von diesem Druck befreien und Ihre Kommunikationskanäle gezielt und effektiv einsetzen können. Ich fokussiere mich dabei auf die Unternehmenskommunikation und weniger auf das Marketing, für das in manchen Punkten andere Spielregeln gelten.
Doch zuerst ein kurzer Exkurs in die verwendeten Begrifflichkeiten, um Missverständnissen beim Lesen des Artikels vorzubeugen:
Medien und Kommunikationskanäle
Der Begriff des Mediums konzentriert sich auf die Art des Inhalts, also wie die Botschaft gestaltet und präsentiert wird, während der Kommunikationskanal definiert, auf welchem Weg oder über welche Plattform die Botschaft übermittelt wird. Kommunikationskanäle können mit verschiedenen Medien bespielt werden.
Beispiele für Medien: Text, Video, Audio, Bilder
Beispiele für Kommunikationskanäle: Digitale Plattformen wie Websites, Microsites, das Intranet oder Social Media, aber auch Korrespondenz via E-Mail. Ebenso gehören analoge Kanäle wie Briefpost, Printerzeugnisse, persönliche Gespräche per Telefon, Videocalls oder Events zu den Kommunikationskanälen.
Richten wir nun den Fokus auf die Strategie, geeignete Kommunikationskanäle für Ihre Unternehmenskommunikation zu finden.
Analyse der Stakeholder
Für eine zielführende Kommunikation in Zeiten eines riesigen Angebotes an verfügbaren Kommunikationskanälen bei gleichzeitig begrenzten Ressourcen, rate ich immer dazu, einen konzeptionellen Zugang zu finden – auch um den eigenen Aufwand einzugrenzen. Überlegen Sie sich, wer Ihre Stakeholder sind, also jene Personenkreise, die einen Anspruch auf Kommunikation und Information haben. Meist sind dies die Mitarbeitenden und ihre Angehörigen, die Inhaberschaft und Investoren, die Kundschaft, Lieferanten, Regulationsbehörden und die Öffentlichkeit. Begeben Sie sich in die Rolle Ihres Gegenübers und überlegen Sie sich, welche Informationen diese eingegrenzten Gruppen von Ihnen erwarten. In den meisten Fällen zeigt sich ungefähr folgendes Bild:
Konsumierende möchten über neue Entwicklungen, Anpassungen oder Produkte informiert werden und gleichzeitig Fragen direkt beantwortet haben.
Mitarbeitende und ihre Angehörigen möchten Klarheit über das Arbeitsverhältnis haben, informiert und eingebunden sein. Regelmäßiger Dialog und Updates durch das Management, die sowohl die Herausforderungen als auch deren Bewältigung thematisieren, stärken das Vertrauen und die Motivation der Mitarbeitenden.
Investoren und Aktionäre benötigen detaillierte und transparente Informationen über die Situation des Unternehmens und den direkten Austausch, um aufkommende Fragen zu klären. Transparente Kommunikation über Herausforderungen und Strategien tragen dazu bei, das Vertrauen der Investoren zu erhalten und potenzielle Ängste abzubauen.
Lieferanten und Geschäftspartner erfordern ebenfalls eine gezielte Kommunikation. Gegenseitige Updates über die Unternehmens- und Marktsituation und die voraussichtliche Entwicklung der Zusammenarbeit sind entscheidend, um eine vertrauensvolle Beziehung aufrechtzuerhalten.
Die Öffentlichkeit und die Medien sind eine weitere wichtige Stakeholder-Gruppe, insbesondere wenn Sie in Ihrer Region ein wichtiger Arbeitgeber sind oder eine gewisse Bekanntheit erlangt haben. Vor allem in turbulenten Zeiten ist es besonders wichtig, proaktive Kommunikation mit dieser Gruppe zu betreiben, um falschen Informationen und Gerüchten vorzubeugen und die eigene Position klar zu vermitteln. Eine gut durchdachte Medienstrategie, die sowohl traditionelle Medien als auch Soziale Netzwerke einbezieht, kann dazu beitragen, das Unternehmensimage zu schützen und die öffentliche Wahrnehmung positiv zu beeinflussen.
Die 7 W’s für eine effektive Stakeholder-Kommunikation
Mit dem Ziel vor Augen, dass Sie Ihren Stakeholdern spezifisch relevante und interessante Inhalte, und damit einen echten Mehrwert präsentieren möchten, empfehle ich, diese abgewandelte Form der journalistischen 7 W’s zu beantworten:
Wer
Wer aus unserer Organisation möchte an welche Stakeholder kommunizieren?
Was
Welche Inhalte möchten wir vermitteln?
Wann
In welchem Zeitrahmen möchten wir kommunizieren? Einmalig oder regelmässig? In welchen Zeitabständen möchten wir informieren?
Wie
In welcher Form möchten wir kommunizieren? (Website, Print, Video, Audio etc.)
Warum
Was ist der Anlass für die Kommunikation?
Wozu
Mit welchem Ziel möchten wir den Inhalt publizieren?
Aus wer, was, wann, wie, warum und wozu ergibt sich ein aufschlussreiches Gesamtbild für die Beantwortung des siebenten W’s, dem Wo. Also welche Plattformen und Wege genutzt werden sollen, um die gewünschte Personengruppe gezielt zu erreichen.
Am einfachsten ist dies bei regulatorischen Vorschriften wie beispielsweise der Pflicht zur Ad hoc-Publizität. Ereignisse im Unternehmen, die den Aktienkurs über handelsübliche Schwankungen hinaus beeinflussen könnten, müssen von schweizerischen börsenkotierten Unternehmen unverzüglich öffentlich kommuniziert werden. Vorgeschrieben sind eine Mitteilung an den Börsenbetreiber SIX, an mindestens zwei elektronische Finanznachrichtendienste und zwei Schweizer Medien von nationaler Bedeutung (gedruckt oder schriftlich). Zudem ist eine Mitteilung auf der Website zu publizieren und «interessierten Marktteilnehmern» per E-Mail zuzustellen. Stimmen Sie Ihre Kommunikation mit der Rechtsabteilung ab.
Regulatorische Formvorschriften existieren auch für den Geschäftsbericht. Dieser muss nach schweizerischem Recht schriftlich abgefasst sein.
Haben Sie volle Freiheit bei der Wahl des Kommunikationskanals, sollten Sie sich folgende Fragen stellen:
Mit welchen Kommunikationskanälen ist die Botschaft kompatibel?
Um die beabsichtigte Wirkung Ihrer Botschaft tatsächlich zu erzielen, müssen Botschaft und Kanal miteinander harmonieren. Der gewählte Kanal muss in der Lage sein, den Inhalt der Botschaft angemessen und glaubwürdig zu transportieren. Eine komplexe und detaillierte Botschaft benötigt einen Kanal, der ausreichend Raum für Erklärungen bietet, während eine einfache, emotionale Botschaft besser über informelle Kanäle vermittelt wird. Eine inkompatible Verbindung zwischen Botschaft und Kommunikationskanal kann zu Unverständnis und Verwirrung führen.
Beispielsweise werden Sie eine Einladung zur Generalversammlung sehr wahrscheinlich auf der Investorenseite Ihrer Website publizieren und per Briefpost zusammen mit einer gedruckten Traktandenliste, Anträgen, Geschäftszahlen etc. verschicken, während einfach verständliche Produktnews potenziell eher zu Social Media oder Newsletters passen.
Welche Kanäle sind für die vorgesehene Zielgruppe relevant und entsprechen den zielgruppentypischen Präferenzen?
Auf eine ausführliche Erklärung, wie Zielgruppen segmentiert werden, sei an dieser Stelle verzichtet – dazu existieren zahlreiche kompetente Fachartikel aus anderer Quelle.
Je besser Sie wissen, wo sich das anzusprechende Zielpublikum aufhält, und wie sein Mediennutzungsverhalten ist, umso gezielter können Sie dieses ansprechen. Den Bereich Marketing ausgenommen, braucht es dafür oftmals keine besonders tiefgehende Analyse. In vielen Fällen liegen die passenden Kanäle auf der Hand: Personalnews aus Ihrem Unternehmen finden am ehesten in Branchenmagazinen und über Soziale Netzwerke wie LinkedIn zum Zielpublikum.
Interessant wird es in Branchen, in denen die meisten Betriebe nach aussen relativ uniform erscheinen. Als Beispiel möchte ich Recyclinghöfe herbeiziehen. In dieser Branche stehen Funktionalität und Effizienz im Vordergrund. Die meisten Recycling- und Entsorgungsunternehmen haben ähnliche Abläufe, Fahrzeuge und Container. Fotos davon haben wenig individuellen Charakter oder gar Alleinstellungsmerkmale. Das Zielpublikum – meist Anwohnende aus den umliegenden Gebieten – ist mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht an visuellen Inhalten interessiert, dafür eher an Informationen zu Dienstleistungen, Öffnungszeiten, Preisen und Nachhaltigkeit. Recyclinghöfe sollten daher nicht unbedingt auf fotografielastige Kanäle setzen, sondern schwerpunktmässig auf eine informative Website, Whitepapers, Videos oder Podcasts zu aktuellen Themen, welche sich mit gesellschaftlichen Fragen zu Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft auseinandersetzen. Das Unternehmen bekommt dabei die Chance, sich als innovativer Experte in diesen Gebieten zu positionieren.
Wo sind Synergien und Multiplikation möglich?
Synergien und Multiplikation spielen eine zentrale Rolle, da sie die Effizienz und Reichweite von Kommunikationsmassnahmen erheblich steigern können. Synergien entstehen, wenn verschiedene Kommunikationskanäle und -instrumente gemeinsam genutzt werden, um eine stärkere Wirkung zu erzielen. Solche Synergien und Multiplikation möchte ich Ihnen anhand des Beispiels eines Interviews mit einem Fachexperten für das Kundenmagazin eines grösseren Unternehmens zeigen.
Primär wird dieses Interview in transkribierter Form zusammen mit einem Foto im Kundenmagazin abgedruckt. Mit etwas Mehraufwand kann dieses Interview mit einer oder mehreren Kameras aufgezeichnet und zu einem Video aufbereitet werden. Per QR-Code kann das gedruckte Magazin mit dem Video verknüpft werden. Kurze Sequenzen aus dem Interview können in Sozialen Netzwerken mit Verweis auf die Druckversion und das Video in voller Länge auf dem Videoportal oder der Website publiziert werden. Ebenfalls kann das Erscheinen der neuen Ausgabe des Magazins mit Verlinkungen in einem Newsletter bekanntgegeben werden.
Durch die Veröffentlichung des Interviews sowohl in Druck-, wie auch in Videoform wird auf persönliche Präferenzen Rücksicht genommen, es wurden mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen, und durch die breite Streuung ein grösseres Publikum, also eine Multiplikation erreicht.
Fazit
Die Frage nach der Sichtbarkeit auf verschiedenen Plattformen sollte nicht aus einem Gefühl der Präsenzpflicht heraus, sondern viel mehr strategisch und gezielt beantwortet werden. Ein überlegter Ansatz zur Wahl der Kommunikationskanäle ist entscheidend, um die relevanten Stakeholder effektiv zu erreichen und ihre spezifischen Informationsbedürfnisse zu bedienen.
Ein strategischer und zielgerichteter Ansatz zur Auswahl und Nutzung von Kommunikationskanälen mag auf den ersten Blick aufwändig erscheinen. Indem Unternehmen gezielt analysieren, welche Kanäle langfristig zu ihren Zielen passen und welche Stakeholder sie ansprechen möchten, können sie jedoch interne Ressourcen effizienter einsetzen und gleichzeitig vermeiden, dass einzelne Kanäle nach kurzer Zeit wieder aufgegeben werden oder verwaisen.
Die sorgfältige Evaluation jedes Kanals sollte nicht nur die kurzfristige Nutzung im Blick haben, sondern auch die mittel- und langfristigen Perspektiven. Unternehmen sollten sich fragen, ob sie bereit sind, den gewählten Kanal nachhaltig zu bespielen und weiterzuentwickeln. Diese vorausschauende Planung trägt dazu bei, dass Kommunikationsstrategien nicht nur aus einmaligen Aktionen bestehen, sondern Teil eines konsistenten und wirkungsvollen Gesamtkonzepts werden, das Vertrauen und Glaubwürdigkeit bei den Stakeholdern aufbaut.